Neben den körperlichen Strapazen belastet eine Krebserkrankung auch die Psyche der Patienten nachhaltig. Wie niederländische und schweizerische Forscher zeigten, kann eine Web-Anwendung die Lebensqualität zumindest kurzfristig erhöhen.
Aufgrund der stetigen Fortschritte in der Krebsmedizin kann die Erkrankung mittlerweile bei rund zwei von fünf Patienten besiegt werden. Und auch wenn keine dauerhafte Heilung möglich ist, kann häufig zumindest die Überlebenszeit der Patienten verlängert werden. In dieser Zeit gilt es vor allem, ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Zudem steht krebsmedizinisch die Schmerz- und Beschwerdefreiheit im Vordergrund.
Die Psychoonkologie, die sich mit dem subjektiven Empfinden der Krebspatienten befasst, genoss lange Zeit wenig Aufmerksamkeit. Doch das ändert sich mehr und mehr. Denn die psychische Verarbeitung der Krankheitssituation ist erstens wesentlich für die Lebensqualität und zweitens beeinflussbar. Eine gute psychologische – und auch psychosoziale – Betreuung und Anleitung kann also trotz belastender Umstände mehr Lebensfreude ermöglichen.
Die Maßnahmen, mit denen Krebspatienten ihre seelische Belastung lindern können, sind vielfältig. Sport ist beispielsweise eine davon, sofern der individuelle Gesundheitszustand es zulässt. Denn die Bewegung steigert das körperliche und psychische Wohlbefinden zugleich. Auch klassische psychotherapeutische Gespräche können ein Weg zu einer positiveren Sichtweise sein; daneben sind künstlerische Therapien auf dem Vormarsch. Viele Krebspatienten wenden Entspannungstechniken an. Und nicht zuletzt hat auch die Ernährung Einfluss auf das Wohlbefinden. Zu diesen etablierten psychoonkologischen Ansätzen ist in jüngerer Zeit noch ein weiterer hinzugekommen, der speziell auf das Internetzeitalter zugeschnitten wurde: webbasierte Programme wie „Cancer Aftercare Guide“ und STREAM („Stress aktiv mindern“).
„Cancer Aftercare Guide“: Linderung bei Depression und Fatigue
„Cancer Aftercare Guide“ wurde von niederländischen Forschern entwickelt und in zwei Studien getestet. Ziel ist es, in sieben Bereichen mit konkreten Anleitungen die Lebensqualität zu verbessern: krebsbedingte Fatigue (chronische Erschöpfung), Rückkehr in den Beruf, Angstgefühle und Depression, soziale Beziehungen und Intimität, körperliche Aktivität, Ernährung und Rauchen. Basierend auf einem anfangs auszufüllenden Fragebogen werden die für den jeweiligen Patienten relevanten Bereiche abgedeckt. Das Konzept orientiert sich an der kognitiven Verhaltenstherapie.
Und es zeigt kurzfristig Wirkung, wie die Studienergebnisse dokumentieren. Verglichen wurden jeweils 231 Krebspatienten mit und ohne „Cancer Aftercare Guide“. In der webbasiert betreuten Gruppe kam es nach sechs Monaten signifikant seltener zu Depressionen und Fatigue. Auch in den anderen Bereichen ließen sich gegenüber der Kontrollgruppe Verbesserungen feststellen, wenn auch nur leichte. Nach zwölf Monaten allerdings hat sich das psychische Befinden der Probanden und der Kontrollgruppe wieder angeglichen. Insgesamt kommen die Forscher zu dem Fazit, dass das Programm einen klinisch relevanten Unterschied macht. Ihre Empfehlung lautet daher, es als Einstieg in die psychoonkologische Betreuung zu verwenden – wenngleich es die Hilfe und das Know-how professionellen Fachpersonals nicht ersetzen kann.
STREAM: Weniger Stress, höhere Lebensqualität
Das Stressmanagement-Programm STREAM wurde an der Universität und am Universitätsspital Basel entwickelt. Es stellt den Nutzern Übungen und Strategien gegen die krebsbedingte psychische Belastung vor. Überdies ist eine E-Mail-Plattform für den wöchentlichen Austausch mit einer Psychologin integriert. In einer Studie mit 129 Patienten erwies sich die webbasierte Intervention als erfolgreich: Nach drei Monaten klagten die Anwender deutlich weniger über psychischen Stress als die Kontrollgruppe. Analog dazu schätzten sie ihre Lebensqualität höher ein.
Bei diesen Programmen und Studien handelt es sich noch um Pionierarbeit. Die niederländischen Wissenschaftler betonen die Notwendigkeit weiterer Forschung. Über Pläne für einen breiten Praxiseinsatz der Programme – inklusive einer Übertragung des „Cancer Aftercare Guide“ ins Deutsche – ist bisher nichts bekannt. Wer sich für den Fall einer Krebserkrankung psychoonkologische Unterstützung von Experten sichern will, sollte rechtzeitig vorsorgen. Damit bekommt die subjektive Lebensqualität von Krebspatienten die große Aufmerksamkeit, die sie verdient.