Wahrscheinlich nicht, so die Kurzantwort aus wissenschaftlicher Sicht. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Lebensqualität von Krebspatienten durch eine Misteltherapie verbessert werden kann. Was Patienten und Angehörige dazu wissen sollten, lesen Sie im Folgenden.
Wer sich mit medizinischen Fragestellungen beschäftigt, weiß: Eine eindeutige Wahrheit gibt es in vielen Fällen (noch) nicht. Stattdessen kamen Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen oder wurden noch gar nicht systematisch durchgeführt. Oder ihre Aussagekraft ist umstritten. So verhält es sich auch mit der Misteltherapie bei Krebskranken. Obwohl das Sandelholzgewächs bereits seit rund einem Jahrhundert in der Krebsmedizin angewendet wird, streiten sich die Fachleute bis heute über die Wirksamkeit.
Bezeichnend ist, dass die Misteltherapie gegen Krebs nur in wenigen Ländern Anwendung findet. Dazu zählen Deutschland, Österreich und die Schweiz. Und das hat mit der besonderen Geschichte dieses Behandlungskonzepts zu tun: Die Idee dazu geht weder auf einen Mediziner noch auf medizinische Beobachtungen zurück. Stattdessen wurde sie von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie, angestoßen. Dabei leiteten ihn theoretische Erwägungen, die bereits seit Jahrtausenden kursieren: Gleiches solle mit Gleichem behandelt werden, so die Grundannahme. Da es sich bei der Mistel um eine Schmarotzerpflanze handelt, soll sie auch gegen die „Schmarotzer-Zellen“ eines Tumors helfen können. Steiners Ansatz wurde dann von der Ärztin Ita Wegman weiterentwickelt und in die medizinische Praxis übertragen.
Keine eindeutige Studienlage zur Misteltherapie gegen Krebs
Seitdem wurde viel zur Mistel geforscht. Die Wissenschaftler fanden dabei Wirkstoffe, die immunologische Wirkungen entfalten. Andere Substanzen können bestimmte Zellkulturen abtöten. Inwieweit sie aber auch Krebszellen bekämpfen, konnte noch nicht eindeutig geklärt werden. Zwar bestätigen einige Studien einen solchen Effekt. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Forschungen nicht wissenschaftlichen Standards genügten. So sei etwa oft nicht nachvollziehbar, wie die Studienresultate genau zustande kamen.
Aus der Sicht der evidenzbasierten, also auf erwiesene Wirkungen begründeten Medizin reichen die vorliegenden Belege nicht aus. Daher gehört die Misteltherapie nicht zu den schulmedizinischen Krebsbehandlungen – und kann eine solche auch nicht ersetzen. Die Frage, ob Mistel-Präparate das Leben von Krebspatienten verlängern können, bleibt damit einstweilen unbeantwortet.
Hinweise liefern die vorliegenden Studien jedoch darauf, dass die Lebensqualität der Krebspatienten von einer Misteltherapie profitieren kann. Flankierend zu einer bewährten Krebstherapie können Mistel-Präparate also eingesetzt werden. Wichtig ist in dem Fall, dass alle Behandler darüber informiert werden, auch wenn die Präparate frei verkäuflich sind.
Nur als Injektion wirksam
Zwar kann man auch Mistelkapseln oder -tropfen erwerben und einnehmen, doch in der Krebsmedizin gilt die orale Darreichungsform als wirkungslos und ist für diese Anwendung nicht zugelassen. Stattdessen muss das Mittel per Spritze injiziert werden, ob vom Arzt, von einer Pflegekraft oder von den Patienten selbst. Üblicherweise werden die Lösungen in oder unter die Haut gespritzt, z. B. in den Oberschenkel, den Oberarm oder die Bauchhaut. Manche Mediziner empfehlen auch die Injektion direkt in den Tumor. Bei den Präparaten handelt es sich in der Regel um Mistelextrakt, der aus Misteln unterschiedlicher Wirtsbäume gewonnen wurde. Für welche Einsatzgebiete ihre Produkte genau geeignet sind, wird von den Herstellern jeweils verschieden definiert. Das Gleiche gilt für mögliche Nebenwirkungen und Kontraindikationen (Umstände, die gegen die Verabreichung sprechen) wie Fieber, Schilddrüsen- oder Immunsystemerkrankungen oder auch bestimmte Krebsarten.
Da Mistel-Präparate frei verkäuflich sind, müssen die Patienten sie prinzipiell selbst bezahlen. Die derzeit gültige Arzneimittelrichtlinie ermöglicht eine ärztliche Verschreibung dennoch. Dies gilt allerdings nur für die palliative Anwendung, also bei Krebspatienten mit nicht mehr heilbarer Erkrankung. Die Kostenübernahme fußt dann auf der angestrebten Verbesserung der Lebensqualität im verbleibenden Zeitraum. Da für die kurative Krebsbehandlung mit Mistel-Präparaten der Wirksamkeitsnachweis fehlt, wird eine Therapie mit diesem Ziel nicht von den Krankenkassen erstattet.